Gestresst im Schlafanzug


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Viola Köster über ihre Performance imloop@homeoffice, Proben im Netz und neue Blickwinkel

von Nico Latic
 

Viola, letztes Jahr wart ihr mit der Performance „Im Loop“ auch schon auf dem PAF vertreten. Wie sollte die geplante Fortsetzung aussehen?

Ursprünglich wollten wir das Stück vom letzten Jahr weiterentwickeln. Aufbauend auf den 40-45 Minuten vom letzten Jahr, wollten wir das ganze körperlich und räumlich nochmal verändern. Damals haben wir uns vor allem damit beschäftigt, welche sich wiederholenden Bewegungen die Arbeitssituation am Schreibtisch bestimmen. Wie sieht es aus, wenn dort durch eine Form von Arbeitssucht Kämpfe und Krämpfe entstehen? Das wollten wir körperlich und vor allem textlich schärfen. Aus der Performerin (Haruka Tomatsu) sollte eine Figur mit Geschichte entwickelt werden. Dabei wollten wir körperlich untersuchen, wie ein Streik des Körpers aussehen kann.

Wie war die Performance letztes Jahr aufgebaut?

Es gab drei Teile. Mortifikation: im Grunde das Einfrieren von Bewegung. Machinery: Der Körper wird zu einer Maschine, mit schnellerem und regelmäßigerem Rhythmus. Und Freedom: der Ausbruch aus dem eingefahrenen Loop. Dieses Jahr wollten wir uns mehr mit der Mortifikation beschäftigen, also dem Aussetzten von körperlichen Funktionen.

Jetzt findet das Festival im Digital Showroom statt. Wieso zeigt ihr dort „imloop@homeoffice“ und nicht einfach eine Aufzeichnung der geplanten Aufführung?

Erstens hat das den praktischen Grund, dass wir nicht proben konnten. Es gibt also keine komplett neue Show, die wir hätten zeigen können. Der andere Grund ist, dass sich unser Thema und das Setting – am Schreibtisch mit Laptop – total für die digitale Übersetzung anbieten. Da wollten wir schauen, wie es filmisch aussieht, wenn das Publikum die Performerin durch die Laptop-Kamera betrachtet. Jetzt rutschen die Zuschauer*innen in die Perspektive der Kamera und werden zu Überwachenden der Performerin.

Wie gestalten sich dazu die Probearbeiten im Homeoffice?

Körperlich haben wir nicht wirklich geprobt. Wir konnten nur darüber sprechen und haben so das Setting entwickelt. Erst jetzt – wenige Tage vor der Performance – sehen wir, welche Bilder entstehen und welche gut wirken. Wir probieren räumlich und bildlich aus, welche Nähe zur Kamera gut aussieht, wie weit man sich entfernen kann und wo man aus dem Blickwinkel verschwindet. Dann haben wir uns in Teamgesprächen auf einen Text geeinigt, der jetzt als Audio zu hören sein wird. Dabei waren für uns die Themen Arbeitssucht und Selbstkontrolle zentral.

Formal ist die Performance also von den Social-Distancing-Maßnahmen beeinflusst?

Ja. Da aus praktischen Gründen kaum Weiterentwicklung stattfinden konnte, nutzen wir notgedrungen das Bewegungsrepertoire, das wir letztes Jahr erarbeitet haben. Daher würde ich sagen, dass die Performance jetzt einen eindeutigen Experimentcharakter und weniger einen Aufführungscharakter hat.

„imloop@homeoffice“ thematisiert ja den Kampf im Arbeitsalltag und selbstausbeutende Arbeitsroutinen. Wie sieht eure Routine in der Vorbereitung der Performance aus?

Der Alltag von uns dreien im Team ist sehr verschieden. Ich arbeite noch als Dramaturgin am Schlosstheater Moers. Deshalb ist meine Zeit hauptsächlich durch das Haus strukturiert. Im Team sieht die Arbeit so aus, dass wir uns zu Zoom-Meetings verabreden und dann zwei bis drei Stunden lang die Aufführung weiterentwickeln. Parallel dazu findet sowas wie Antragstexten für die nächsten Ausschreibungen statt. Da ich nicht in Berlin lebe, kommunizieren Ren (Saibara) und ich viel per Mail. Haruka (Tomatsu) arbeitet viel für sich, da sie auch als Soloperformerin mit ihren eigenen Stücken beschäftigt ist. Dazu braucht sie nur einen Raum, in den sie sich einsperren und proben kann.

Durch Corona haben wir alle ja vermeintlich viel Zeit, die produktiv genutzt werden soll. Gleichzeit verschwindet ein geregelter Feierabend. Gelingt es euch in der Vorbereitung der Performance Freizeit zu nehmen oder geratet ihr selbst in Arbeitsloops?

Ich glaube, Ren und Haruka können gut mit der Situation umgehen, da sie sie als Freiberuflerinnen schon länger kennen. Für mich ist die Struktur neu und teilweise echt extrem. Ich muss mich anstrengen, um mir Essenszeiten mit zugeklapptem Laptop zu nehmen. Andererseits kann man den ganzen Tag vor sich hinsumpfen und ist trotzdem nie wirklich entspannt, man ist gestresst im Schlafanzug.

Da passt die Performance gut in die aktuelle Krisensituation!

Absolut! Fast zu eins zu eins. Es ist eher so, dass man sich fragt, wo ist denn jetzt die künstlerische Interpretation? Aber diese versuchen wir durch die Kameraperspektive herzustellen. Der Blickwinkel lässt hoffentlich abstrakte oder auch groteske Bilder entstehen.

Denkst du, dass die Online-Performance nur ein Kompromiss ist oder meinst du, dass die neuen Formen auch bei Wiederöffnung der Spielstätten bestehen bleiben?

Ich finde, es ist vorrangig ein Kompromiss. Das ist jetzt meine persönliche Haltung. Ich interessiere mich hauptsächlich für Theater als analoge Kunst. Aber in unserem konkreten Fall finde ich es natürlich spannend. Grundsätzlich bin ich bei uns vor allem an der körperlichen Übersetzung interessiert. Ich möchte, dass die Zuschauer*innen im Raum körperlich und emotional etwas spüren. So war es auch letztes Jahr. In einem Raum mit der Performerin zu sein, hat beim Publikum zu körperlichen Beklemmungen geführt. Das reizt mich und das wird über ein zweidimensionales Bild leider nicht herzustellen zu sein.

Livestream-Termine:

23. Mai um 16:00 Uhr : https://youtu.be/ruk0ra3IGbY
24. Mai um 18:00 Uhr : https://youtu.be/ju__szLzsCA


Im Anschluss an „imloop@homeoffice“ von Viola Köster & Ren Saibara am 24. Mai um 19:00 Uhr laden Theaterscoutings Berlin und die GEHEIME DRAMATURGISCHE GESELLSCHAFT (GDG) die Zuschauenden ein, das Aufführungserlebnis in einem Telefongespräch, spazierend mit einer (noch) unbekannten Person nachwirken zu lassen.
Zur Anmeldung

 

Seit 2018 arbeiten Viola Köster (Dramaturgin, Regisseurin und Autorin) und Ren Saibara (Regisseurin, Schauspielerin und Performerin) an der Schnittstelle von Physical Theatre, Tanz und Performance. Ihre erste Zusammenarbeit „Im Loop“ (PAF 2019) ist ein fortlaufendes Experiment, das nach expressiven Bewegungen und symbolstarken Bildern für das Thema „Selbstoptimierung“ sucht. Haruka Tomatsu (Performerin, Tänzerin, Choreografin) hat „imloop@homeoffice“ als Performerin entscheidend mitgeschrieben.