Sich treiben lassen


Ein Spaziergang durch den Digital Showroom des PAF @home

von Cora Lou Gercke

Seit gestern morgen um 10 Uhr hat das Wunderland geöffnet: Im „Digital Showroom“ stellen sich die Künstler*innen und Spielstätten mit ihren Projekten vor, die eigentlich beim PAF hätten laufen sollen. Rund um die Uhr kann man sich durch die verschiedenen Profile klicken, auf denen die Künstler*innen, so gut es digital eben geht, einen Einblick in ihre Arbeit geben.

Das Angebot ist verwirrend groß: Über 40 Bilder, jedes wie eine geheime Tür, locken uns in eine weitere Galerie. Ist sie nur ein Kämmerchen? Oder ein Labyrinth? Gleich der erste Raum, in den ich hineinstolpere, überfordert mich produktiv: Auf dem Profil von „[Kunst versus Kategorie] seite 64“ erwarten uns unter anderem „Rituale“ in Form von Videoclips. Sieht schon mal vielversprechend aus.

Schnell aber merke ich, dass die Räume sehr unterschiedlich dicht gefüllt sind. Hinter einigen Türchen verbergen sich Videoclips, Fotos oder gar ganze Mitschnitte. Hinter anderen gibt’s neben der kurzen Beschreibung von Künstler*in und Projekt nur ein oder höchstens eine Handvoll Fotos zu finden. Inszenierungsstreams gibt es wenige.

So klicke ich mich durch Performance, Sprech- und Musiktheater, Installation, Intervention und Tanz. Die Vielfalt und Diversität der freien Szene wird auch in diesem Format sichtbar. Manchmal stellt sich sogar jene Überangebots-Überforderung ein, die man beim Live-PAF oft verspürt. Eigentlich will ich alle Profile ganz genau anschauen. Schnell aber gerate ich in einen Modus, in dem ich mich von einem ins nächste Fenster klicke und nur vereinzelt hängen bleibe. Ein sehr online-spezifisches Problem, diese Schwierigkeit, sich einzulassen. Diese Unverbindlichkeit. Das Gefühl, dass es noch so viel zu sehen gibt, nur einen Klick weiter. Das macht es auch schwer, sich die Videos ganz anzuschauen und nicht nach den ersten zwei Minuten weiterzuklicken. Es nervt mich selbst, dieses Verhalten. Aber ich glaube nicht, dass ich allein damit bin.

Besonders interessieren mich die Räume, die etwas Eigenes bieten, mehr als nur einen Trailer oder ein paar Fotos. Hängen bleibe ich zum Beispiel am 360-Grad-Video zu „OUT-OF-SPACE“ von Mikala Hyldig Dal, Sharon Paz und Kim Sontag. Aber auch an anderen Videos, die spezifisch für diesen Kontext hergestellt wurden. Und an Mitschnitten von kompletten Produktionen. Nur angeteasert zu werden, nur Lust auf mehr gemacht zu bekommen, ist irgendwie witzlos und ein bisschen frustrierend, wenn man weiß, dass sich die Schaulust gerade nicht einlösen lässt.

Insofern ist der Digital Showroom eine Art Trostpflaster – im bestmöglichen Sinne. Sowohl für Künstler*innen als auch für das Publikum. Er gibt den Künstler*innen die Möglichkeit, trotz der Situation ihre Arbeit vorzustellen und Menschen zu erreichen. Dem Publikum gibt er einen ziemlich vielgesichtigen Eindruck der Produktionen und Künstler*innen des PAF 2020 und der freien Szene Berlins. Außerdem macht er Lust auf mehr Kunst – ob im Rahmen des PAF@home oder live, wenn die Theater wieder öffnen. Und es macht trotz allem Spaß, sich ein bisschen durch die verschiedenen Räume treiben zu lassen. Vielleicht liegt die Lösung darin, weniger zu vergleichen, mit dem, was darstellende Kunst sonst, außerhalb der Krise, für uns ist. Und sich immer wieder überraschen zu lassen, was hinter der nächsten Tür steckt.