Warum wir performative Künste in Krisenzeiten brauchen
Gedanken anlässlich der ersten Episode der "PAF Doku-Serie"
von Paula Sylvie Heckmann
Die Frage, ob wir Kunst brauchen, stellt sich nicht. Erst recht nicht in Krisenzeiten. Alle sprechen momentan von systemrelevanten Berufen. Natürlich sind Erzieher*innen, Krankenpfleger*innen, Ärzt*innen wichtig. Aber warum denken dabei so wenige auch an Künstler*innen? Dabei sollten wir uns fragen, wie unsere Tagesgestaltung im Shutdown so aussieht: Wir hören Musik beim Kochen, beim Joggen oder einfach so. Abends schauen wir auf dem Sofa Filme. Wir konsumieren Kunst. Den ganzen Tag, ohne es zu hinterfragen. Ohne sie wären wir schon lange durchgedreht.
Aber welche Aufgabe hat speziell die performative Kunst in einer Zeit wie dieser? Um Antworten auf diese Frage zu bekommen, schaue ich mir die erste Episode der "PAF Doku-Serie" an. 32 Künstler*innen bzw. Künstler*innen-Kollektive liefern mir die Antwort.
Ein zunächst abstrakt wirkender Zusammenschnitt von kurzen Videoschnipseln. Leute tanzen, jonglieren, einige unterhalten sich in einer Videokonferenz. Ich höre Stimmen in englisch, deutsch, französisch. Sie sprechen über die Möglichkeiten und die Vergänglichkeit ihrer Arbeit. Über die Wichtigkeit von leiblicher Co-Präsenz von Performer*innen und Zuschauer*innen und dieser besonderen Atmosphäre, die in virtuellen Chat-Formaten nur schwerlich nachzuempfinden ist. Performative Künste haben es gerade besonders schwierig, keine Frage. Zugleich sind sie in einer Zeit wie dieser wichtiger denn je.
Performative Künste sind diskurstragend und systemrelevant, flexibel und können viel schneller auf die aktuelle Situation reagieren als große Institutionen. Sie sind Teil unseres Bewältigungsprozesses. Sowohl für uns als zuschauende Konsument*innen als natürlich auch für die schaffenden Künstler*innen selbst. „We create to escape from our internal crisis“, heißt es einmal im Video. Es geht darum, eine thematische Vielfalt abzubilden, Klimawandel, Flüchtlingssituation, soziale Missstände, Diskriminierung, Sexismus, Ungleichheiten in der Gesellschaft, rechter Terror. All das sind Themen, die wegen einer globalen Pandemie ja nicht einfach verschwinden. Es geht darum, auf politische Situationen und Missstände hinzuweisen, es geht darum, systemkritisch zu denken.
Aber die performativen Künste verbinden eben auch. Sie sprechen uns alle an und helfen uns einander verbunden zu fühlen. Performative Künste verbinden das, worüber sie erzählen, den „awakening process“, mit einem sensitiven Erlebnis für alle Beteiligten. Wir fühlen uns einander nah. Und das ist eben besonders in Krisenzeiten wichtiger denn je.